Besseggen
Die Tour über Besseggen ist wohl eine der bekanntesten in Europa. Ich habe immer das Bild vor Augen, mit Bessvatnet zur Rechten und dem Gjende zur Linken und dem schmalen Grad dazwischen (wenn man von Osten aus schaut).
Peer Gynt soll ja auf einem Geißbock über diesen Grat geritten sein, sagen die Norweger.
Und ich habe immer davon geträumt, eines Tages seinen Spuren hier zu folgen.
Anfang Oktober 2021, auf der Rückreise in den Süden, fiel mir beim Kartenstudium auf, dass Bessegen diesmal in erreichbarer Nähe liegt. Außerdem würde an dem kommenden Wochenende zum letzten Mal das Boot über den Gjende fahren, was sehr hilfreich wäre (Boot eine Richtung, zu Fuß andere Richtung). Und es sollte der Andrang von Wanderern wohl geringer sein, als im Sommer (ca 40 – 50 tsd Wanderer im Jahr; und es gibt Bilder, auf denen sich vor dem Grat Schlangen bilden).
Kurzum, neuer Kurs auf Gjendesheim, Ort des gleichnamigen DNT Hotels und der Anlegestelle für das Fährboot. Kurz vor dem Platz am Anleger wurde mir nochmal bewusst, welcher Auftrieb hier im Sommer herrschen musste: ich fuhr an einem Parkplatz vorbei, der mehrere Fußballfelder umfasste und von dem im Sommer ein Shuttle zum Anleger ging. Dahin wäre ich dann nicht mehr gekommen mit dem Auto.
So aber konnte ich ganz bequem direkt am Gjende stehen (Tagesticket 150 NKr). Der Platz liegt auf ca 990 m üNN und damit schon über der Baumgrenze, wie auf dem Bild ersichtlich.
In der Nähe campte ein Norwegischer Vater mit zwei Jungen im Alter von ca. 10 -12 Jahren. Sie waren unterwegs mit einem Kleinwagen und einem Dachzelt, ohne Heizung. Dafür hatten sie aber, typisch Norwegisch, in aller schnelle ein Lagerfeuer entfacht zum Aufwärmen. Brauchbar, in letzter Zeit lagen die Tagestemperaturen nur noch im einstelligen Bereich. Ich habe zwar auch immer oben unter dem Klappdach gelegen, nachts auch ohne Heizung, hatte aber wenigstens morgens und abends eine Heizung zum Aufwärmen.
Zum Abend hin dann noch schöne Lichtstimmung am See. Ich bin schon oft im Sommer in Skandinavien unterwegs gewesen, aber der Herbst ist mir lieber. Schönere Lichtstimmung, interessanteres Wetter (manchmal erster Schnee, wie Puderzucker auf den Bergen), buntere Farben, weniger Touristen, Chancen auf Polarlicht und irgendwie eine ruhigere Stimmung. Im Gegensatz dazu muss man akzeptieren, dass nach Ende der Saison viele Einrichtungen schon geschlossen haben, die Temperaturen eher im einstelligen Bereich liegen und das Wetter auch heftig werden kann, incl. Schneesturm. Neben Winterreifen hatte ich vorsichtshalber Schneeketten dabei …….
Nach dem Lesen einiger Berichte über die Tour über Bessegen, habe ich dann beschlossen von hier aus nur bis zur Aussicht über Bessvatnet und Gjende (das berühmte Bild) zu wandern. Die Tour wird im Bereich des Grats als anspruchsvoll beschrieben. Klettern ist angesagt und schwindelfrei sollte man sein. Und die Fähre hätte ja auch Ihren Preis gehabt (200 NKr).
Von Memurubu kommend, liegen die Berge Jotunheimens immer im Rücken, man muß sich also für spektakuläre Sichten und Aufnahmen umdrehen. Von Gjendesheim aus liegt das Panorama immer vor einem. Und Bilder wollte ich ja machen …….
Am nächsten morgen war es ziemlich kalt, 3,5 grd C und windig. Der Vater und die Jungen saßen windgeschützt hinter dem Kiosk beim Frühstück. Bei einer kurzen Unterhaltung erfuhr ich, dass sie nach Fährfahrt auch über den Besseggen laufen wollten. Sie hatten noch etwas Zeit bis zur Abfahrt und ich machte mich auf den Weg.
In meinen Rucksack hatte ich wohlweislich eine Regenhose gepackt, dazu ein paar Stullen und eine Cola. Von Gjendesheim aus ist der Anstieg als ziemlich steil beschrieben, und so war es dann auch. Dazu kam ein schneidend kalter Wind. Und ich hatte Handschuhe vergessen. Die ersten Pfützen auf die ich traf waren gefroren, was ich zunächst ungläubig zur Kenntnis nahm. Aber es kam schlimmer: das Wasser, das im Norwegischen Gebirge überall über die Felsen rinnt, war auch gefroren und machte die Steine spiegelglatt. So entwickelte sich der Aufstieg langsam zu einer Höllentour: steile Passagen zum Klettern mit eisglatten Steinen. Ich bin nicht nur einmal ausgerutscht.
Unterwegs dann ein aufmunterndes Schild: wenn Du bis hierher 2 Std gebraucht hast, genieße die Natur, und kehre wieder um …….
Angesichts der Schwierigkeiten war ich schon versucht wieder umzukehren. Da ich aber weniger als 2 Std gebraucht hatte, wollte ich erst mal weiter gehen. Und irgendwie habe ich dann auch das Hochplateau erreicht , das so ungefähr auf 1600 m üNN liegt. Von dort führt der Weg an einer Kante zum Gjende vorbei mit einer grandiosen Aussicht auf den See.
Und das Panorama, das vor einem liegt, wenn das Hochplateau erreicht ist, ist wirklich imposant. Allein dafür hat es sich schon gelohnt.
In der Ferne war die Steinpyramide des Veslfjellet sichtbar, mit 1742 m üNN die höchste Stelle der Wanderung. Da ich die Komplikationen über die eisglatten Steine runter zu schwieriger einschätzte als auf dem Weg bis hierher, in etwa die Hälfte meiner Zeit aufgebraucht war und ich keinesfalls auf diesem Weg in die Dunkelheit geraten wollte, beschloss ich umzukehren. Kein Bild vom Besseggen, leider. Aber mir war, auch aus anderen Begebenheiten, bewusst, die Norwegische Natur verlangt ihren Respekt.
Der Abstieg verlief dann überraschender weise weniger schwierig als angenommen : im Laufe der Zeit war es ein wenig wärmer geworden und das Eis war getaut. Es lief wieder Wasser über die Steine. Wer hätte das geahnt ……
Aber auch auf dem Rückweg hat das Panorama noch schöne Ausschnitte gezeigt.
Letztendlich war ich schneller wieder bei meinem Bus als befürchtet. Aber Besseggen steht weiterhin auf der Wunschliste. Vielleicht wenn es etwas weniger kalt ist, aber auf jeden Fall nicht in der Sommersaison. Mal sehen.
In Richtung Süden bin ich dann weiterhin auf der Fv 51 geblieben. Was für mich eine Entdeckung war und mir sehr gut gefallen hat. Das war kein Wunder, denn wie ich später erfahren habe gehört die Fv 51 zu den Landschaftsrouten Norwegens. Ein paar Zeilen dazu, zu Kunst am Wegesrand und Staatens Vegvesen habe ich in einem anderen Beitrag geschrieben.
Nur leider kommt man dann auf dem Weg in den Süden unweigerlich wieder in Bereiche mit vermehrter Zivilisation und möchte am liebsten wieder umkehren.
Hallo Horst,
herzlichen Dank für das Mitnehmen auf deine Reisen in den hohen Norden.
Texte und Bilder sind sehr authentisch.
Ich war auch schon oft im Norden, aber fast immer im Sommer und dann leider doch mit Weißware unterwegs. Ich freue mich schon auf weitere spannende Reiseberichte.
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Herzliche Grüße aus Nordhessen
Heinz
Hallo Heinz,
herzlichen Dank für Deinen Kommentar, der mich sehr gefreut hat.
Schön, wenn Du auch ein Faible für den Norden hast, vielleicht sehen wir uns ja mal da oben.
Gruß, Horst.
Wonderful work Horst.
I am very much enjoying your travels!!
Regards,
John
Dear John,
thank you so much, glad you like these travels ☺️
Regards, Horst.